In großformatigen, majestätischen Porträts hinterfragt Rebekka Macht gesellschaftlich geprägte Strukturen. Auch Mutterschaft und Männlichkeit sind zentrale Themen im Werk der alleinerziehenden Künstlerin. Wir haben sie in Berlin besucht, wo sie mit ihren Söhnen Immanuel (10) und Oliver (8) lebt.
Wir klingeln an der Tür eines typischen Neuköllner Mietshauses. Es dauert einen Moment, bis das obligatorische Surren ertönt. Als wir den Flur betreten, blicken wir in zwei neugierige Gesichter. “Macht ihr heute Fotos von uns?”, fragt Immanuel, dessen lange Locken noch feucht vom Duschen sind. Wie sein jüngerer Bruder Oliver trägt er ein ärmelloses Oberteil aus dunklem Jeansstoff. “Das hat Mama gestern Abend für uns genäht”, sagt der Zehnjährige, als er unsere Blicke bemerkt. “Sie ist noch im Bad, aber gleich fertig.” Die beiden führen uns in einen etwa 20 Quadratmeter großen Raum, der von seiner Bewohnerin sowohl als Atelier als auch als Schlafzimmer genutzt wird. Neben einem Bett und einem Nachttisch, auf dem Bücher über Feminismus, Rassismus und Selbstfürsorge sowie große, strassbesetzte Ohrringe liegen, fallen sofort die großformatigen Bilder ins Auge, deren Farben von Ultramarin über Magenta und Violett bis hin zu zartem Lila reichen. Es sind Porträts von Männern. Akte, die nichts Anzügliches an sich haben. Im Gegenteil: In ihrer Männlichkeit wirken die Dargestellten sanft und nachdenklich. Es ist, als spiegele ihr Blick ihr Innerstes wider.
Die Künstlerin Rebekka Macht, die mit bürgerlichem Namen anders heißt, kennen wir bisher nur von Instagram. Dort präsentiert sich die 34-Jährige androgyn, sexy und selbstbewusst – mit kurz geschorenen Haaren und selbst entworfenen Outfits, die oft in der Farbpalette ihrer Bilder liegen. Als sie aus dem Bad kommt und uns begrüßt, als wir sie mit ihren Kindern beobachten, hat auch sie diese Sanftheit an sich. Gemeinsam tragen wir die großen Acrylgemälde über den Flur in den Gemeinschaftsgarten, in dem Rebekka Macht im Sommer malt. Wir probieren verschiedene Positionen und Lichtwinkel aus und kommen dabei ins Gespräch.
Du hast Kunst und Mathematik auf Lehramt studiert und warst drauf und dran, Lehrerin zu werden. Wie kam es dazu, dass du dein Referendariat abgebrochen hast und Künstlerin wurdest?
Rebekka: Ich fühlte mich im Schulsystem fehl am Platz. Ich erinnere mich noch, als meine engste Freundin mich damals fragte: Wenn Geld kein Faktor wäre, was würdest du in deinem Leben tun? Es war eine so einfache Frage, aber ich hatte mir noch nie die Freiheit genommen, sie mir selbst zu stellen. Ich sagte ihr, dass ich natürlich malen würde. 2017 habe ich mich dann, nach 7 Jahren Ehe, von meinem Mann getrennt. Es war eine große Veränderung und gleichzeitig eine Befreiung, zu der ich mir versprochen habe: Jetzt lebe ich mein Leben so, wie es meinem authentischen Selbst entspricht.
War die Kunst für dich auch ein Mittel, um deine Trennung zu verarbeiten?
Nicht direkt. Aber auf die Trennung folgte eine intensive Phase der emotionalen und strukturellen Auseinandersetzung mit Mutterschaft und Gender, die bis heute die Grundlage für viele meiner Arbeiten bildet. Ich habe damals auch viele Selbstporträts gezeichnet, meistens abends vor dem Spiegel, um die tägliche Erschöpfung einer alleinerziehenden Mutter festzuhalten. Rückblickend war das eine wichtige Phase in der Entwicklung meiner Malerei. Diese Strichführung ohne abzusetzen, so flowig und rund, das alles findet sich noch heute in meinen Bildern.
Du hast dich seit 2017 also voll und ganz der Malerei gewidmet. Wie hast du das finanziert?
Ich habe Hartz 4 bekommen. Wie für viele alleinerziehende Mütter war das auch für mich die Rettung. Man verbringt schließlich den Großteil seiner Zeit mit unbezahlter Care-Arbeit. Das ist ein gravierendes strukturelles Problem, das zu Kinderarmut und zu Armut von Müttern, auch im Alter, führt. Gleichzeitig ist es für viele Betroffene natürlich auch schambehaftet. Auf der anderen Seite sehe ich die Situation von befreundeten Kreativen in anderen Ländern und empfinde es als großes Privileg, dass wir in Deutschland die Möglichkeit haben, eine Selbständigkeit so zu beginnen.